Strahlentherapie direkt im Operationssaal


Als nur eine von sieben Universitätskliniken in ganz Deutschland setzt die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) die intraoperative Strahlentherapie (IORT) zur Behandlung von Metastasen im Gehirn ein. Gemeinsam mit der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie nutzt die Klinik für Neurochirurgie das moderne sogenannte Intrabeam-System. Es ermöglicht eine hochpräzise Bestrahlung schon während der Operation mit einer hohen Einzeldosis direkt am Tumor beziehungsweise nach dessen Entfernung auch im Tumorbett. In Norddeutschland ist das UniversitätsKrebszentrum der UMG bislang die einzige Einrichtung, die dieses Verfahren anbietet. „Die intraoperative Bestrahlung erlaubt es uns, unmittelbar nach der Entfernung einer Hirnmetastase gezielt Strahlung in den Hohlraum im Gehirn zu bringen, der nach der Entfernung des Tumors verbleibt, ohne zeitliche Verzögerung und mit maximaler Schonung des umliegenden Gewebes“, sagt Prof. Dr. Stefan Rieken, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der UMG sowie Sprecher des UniversitätsKrebszentrums Göttingen. „In vielen Fällen kann mit diesem Verfahren die ansonsten notwendige Bestrahlung von außen ersetzt und die meistens erforderliche Systemtherapie im Anschluss an die Operation unverzüglich eingeleitet werden.“
„Die intraoperative Strahlentherapie ist ein sicheres und nebenwirkungsarmes Verfahren. Sie stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung von Patient*innen mit Hirnmetastasen dar – ein echter Meilenstein in der onkologischen und neurochirurgischen Versorgung“, ergänzt Prof. Dr. Veit Rohde, Direktor der Klinik für Neurochirurgie der UMG.
Bestrahlung während der Operation: zielgerichtet, schonend und zeitsparend
Hirnmetastasen können durch Druck auf umliegendes Hirngewebe zu neurologischen Ausfällen führen. Das kann mitunter lebensbedrohlich sein. In solchen Fällen ist eine operative Entfernung der Metastase notwendig. Voraussetzung hierfür ist, dass die onkologische Grunderkrankung außerhalb des Gehirns kontrolliert ist, der Allgemeinzustand der Patient*innen stabil und die Metastase chirurgisch zugänglich ist. Nach der Operation folgt in der Regel eine Strahlentherapie, die aufgrund der Wundheilung jedoch erst zwei bis vier Wochen später beginnen kann und sich mehrere Tage andauert.
Mit der neuen intraoperativen Strahlentherapie lassen sich die Tumorentfernung und Bestrahlung in einem Eingriff kombinieren. Dafür wird direkt im Anschluss an die Tumorentfernung ein spezieller Kugelapplikator in die entstandene Höhle eingesetzt. Es stehen Kugeln in unterschiedlichen Größen zur Verfügung, sodass diese individuell an die Größe der Resektionshöhle angepasst werden können. Über diesen Applikator wird für zehn bis 20 Minuten eine stark fokussierte Strahlendosis in das Tumorbett abgegeben. Die Strahlung wirkt punktgenau, während das umliegende gesunde Gewebe geschont wird. Nach der Bestrahlung wird der operierte Bereich verschlossen.
Insbesondere bei Hirnmetastasen bietet die IORT große Vorteile: Sie ersetzt die sonst übliche Nachbestrahlung in vielen Fällen und erlaubt so eine schnellere Fortführung systemischer Therapien wie Chemotherapie oder Immuntherapie.Aktuelle Studien belegen, dass die IORT zu einer guten lokalen Tumorkontrolle führt – bei gleichzeitig geringerer Belastung für das gesunde Gehirn.
„Der Einsatz der IORT bei Hirnmetastasen wurde bereits in einigen größeren nationalen und internationalen Studien untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass dieses Verfahren sicher und gleichzeitig sehr effektiv ist“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Charlotte Flüh, Oberärztin in der Klinik für Neurochirurgie der UMG. „Vor allem bei großen Hirnmetastasen oder solchen, die Kontakt zum Schädel oder den inneren Hirnhäuten haben, ermöglicht die IORT eine unverzügliche und gezielte Bestrahlung an den Stellen des Tumorwachstums“, sagt Prof. Dr. Andrea Hille, leitende Oberärztin der Klinik für Strahlentherapie der UMG. „In diesen Fällen wäre mit der sonst alternativen Bestrahlung von außen eine recht großvolumige Bestrahlung des Gehirns notwendig, die dann auch mehr Nebenwirkungen entfalten könnte. Mit der IORT verlängert sich die Operationszeit nur minimal, dafür entfallen anschließende ambulante oder stationäre Aufenthalte.“
Es ist geplant, die IORT auch bei bösartigen hirneigenen Tumoren wie dem Glioblastom einzusetzen. Die Wirksamkeit wird derzeit in nationalen Studien weiter untersucht. Mit der Einführung der intraoperativen Strahlentherapie bei Hirntumoren stärkt die UMG ihre Rolle als Vorreiter in der neuroonkologischen Versorgung Norddeutschlands. Für viele Patient*innen bedeutet das eine effektive, schonende und zeitsparende Therapieoption.
Ansprechpartnerin Fachbereich:
Prof. Dr. Andrea Hille, leitende Oberärztin der Klinik für Strahlentherapie, Telefon 0551 / 39-64501, ahille(at)med.uni-goettingen.de
Priv.-Doz. Dr. Charlotte Flüh, Oberärztin der Klinik für Neurochirurgie, Telefon 0551 / 39-61777, charlotte.flueh(at)med.uni-goettingen.de
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