| Presseinformation Nr. 173 / 2022

Nachruf für Universitätsprofessor Dr. Alfred Schauer

Langjähriger Direktor der ehemaligen Abteilung Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie II und Emeritus der Medizinischen Fakultät der Universitätsmedizin Göttingen im Alter von 93 Jahren verstorben.

Universitätsprofessor (em.) Dr. med. Alfred Schauer. Foto: privat

(umg) Universitätsprofessor Dr. med. Alfred Schauer, ehemaliger Direktor der Abtei-lung Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie II und Emeritus der Medi-zinischen Fakultät der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), ist am 15. November 2022 im Alter von 93 Jahren verstorben. Von 1974 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1997 hatte Prof. Dr. Alfred Schauer den Lehrstuhl Pathologie inne und leitete die Abteilung Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie II im ehemaligen Zentrum Pathologie der UMG. Durch seine Initiative kam es 1979 zur Gründung des Tumorzentrums Göttingen an der UMG, dessen Vorsitzender er bis 2001 war. Von 1991 bis 2001 betreute er die wissenschaftliche Kooperation und den Studierendenaustausch mit der Jagiellonen-Universität Krakau, Polen.

Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) trauert um einen hochkompetenten, engagierten Allgemein- und Tumorpathologen, inspirierenden und leidenschaftlichen Hochschullehrer und national wie international beachteten Wissenschaftler. Die Universitätsmedizin Göttingen wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Alfred Schauer wurde 1929 in München geboren. Er studierte in seiner Heimatstadt Humanmedizin und wurde 1956 an der Universität München mit einer Arbeit über Bildung und Abbau biogener Amine promoviert. Seine fachliche und wissenschaftliche Ausbildung erhielt er bei dem Tumorpathologen Prof. Dr. Walter Büngeler am Pathologischen Institut der Universität München. 1963 folgte die Habilitation mit der Lehrbefugnis für Allgemeine und Spezielle Pathologie. Von 1968 bis 1974 leitete er die Abteilung Allgemeine und Experimentelle Pathologie an der Ludwig Maximillians-Universität München. 1973 erreichte ihn ein Doppelruf an die Freie Universität Berlin und nach Göttingen. 1974 entschied er sich für Göttingen.

Die wissenschaftlichen Schwerpunkte seiner Arbeiten lagen anfangs auf den Gebieten der biogenen Amine und der Inhaltsstoffe der um die Blutgefäße lokalisierten Mastzellen im Zusammenhang mit Entzündungen und bei Schockzuständen. So waren die Untersuchungen über Stresserosionen der Magenschleimhaut von hohem Interesse. Die Ergebnisse halfen, operationsstressbedingte tödliche Magenerosionsblutungen besser zu verstehen und vorzubeugen. Auch die Mechanismen des allergisch bedingten anaphylaktischen Schocks ließen sich nun besser erklären. 1967 nutzte Schauer einen Forschungsaufenthalt an der University California Los Angeles, um die Bildungs- und Speicherungsstätten der körpereigenen hochwirksamen Substanzen Histamin und Dopamin in spezifischen Zellen der Magenschleimhaut mit Hilfe radioaktiver Mikromethoden zu lokalisieren. Schauer konnte nachfolgend auch die Mechanismen der Einschleusung unreifer Blutzellen aus dem Knochenmark in den Kreislauf im experimentellen Endotoxinschock in Kooperation mit dem Rockfeller Center aufklären. Ein weiterer Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit lag auf der chemisch-induzierten Krebsentstehung und der Beschreibung von Frühstadien bösartiger Geschwülste der Leber, des Magens, des Darms und der Harnwege. So entstanden ab 1964 umfangreiche Arbeiten über die Stufen der Krebsentwicklung. Die Darstellung der Frühveränderungen an der Leber, die er gemeinsam mit seinem damaligen Mitarbeiter Ekkehard Kunze verfasste, erschien in einer Buchreihe der Weltgesundheitsorganisation. Sie galt bis in die neuere Zeit als richtungsweisend für die Prüfung lebercancerogener Substanzen.

Mitte der 1970er-Jahre verlagerten sich seine wissenschaftlichen Schwerpunkte von der experimentellen auf die humane Tumorpathologie. Ab 1979 gelang ihm zusammen mit unter anderem den Göttinger Wissenschaftler*innen Professor Dr. Klaus Weber und der Professorin Dr. Mary Osborn vom damaligen MPI für biophysikalische Chemie der immunhistochemische Nachweis des Zytoskeletts zur Typendifferenzierung von Karzinomen, Sarkomen sowie frühkindlichen Tumoren. Die Methode kommt heute weltweit zum Einsatz. Schauer konnte nachweisen, dass auch ganz undifferenzierte Karzinome, wie das kleinzellig anaplastische Bronchialkarzinom, sicher als solche erkannt und von anderen Krebsen im Brustkorb abgegrenzt werden können. Insgesamt konnte der Prozentsatz von Tumoren mit unbekanntem Primärtumor unter ein Prozent gesenkt werden.

Darüber hinaus engagierte sich Schauer zunehmend in der Diagnostik und differenzierten Therapie von Brustkrebs. Ende der 1970er-Jahre setzte er mit Göttinger, Erlanger und Freiburger Kolleg*innen die Studie „Kleines Mammakarzinom“ mit Beteiligung von 77 deutschen Kliniken in Gang, die durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie sowie die Deutsche Krebshilfe gefördert wurde. Die Ergebnisse dieser Großstudie waren entscheidend für die Einführung der brusterhaltenden Chirurgie in Deutschland. Ein letzter großer Schwerpunkt seiner Arbeit war die Erforschung der Überexpression von Oncogenen der c-erb B-Familie für die Tumorprogression bei Brust-, Magen- und Eierstockskrebs. Nach der Erkenntnis, dass bei c-erb-positiven Krebsen sowohl die Lymphknotenabsiedlung als auch die Ausbreitung über die Blutbahn gefördert wird, war der Einsatz der heute angewandten Antikörpertherapien sinnvoll geworden.

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Professor Schauer haben internationale Beachtung und Anerkennung gefunden. Bis 2009 veröffentlichte er 520 Originalpublikationen in nationalen und internationalen Journalen. Sein letztes Buch mit dem Titel „The Sentinel Lymph Node Concept“ entstand während seiner Emerituszeit und ist im Springer Verlag als Standardwerk erschienen. Prof. Schauer erhielt zahlreiche Ehrungen, so unter anderem die Nikolaus Kopernikus- und die Merentibus-Medaille der Jagiellonen Universität Krakau, die Goldmedaille des IBC-Cambridge, den „Marie Curie-Award“ sowie „The Da Vinci Diamond Award“ und den „Einstein-Award“.

WEITERE INFORMATIONEN:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Unternehmenskommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Stefan Weller, Telefon 0551 / 39-61020
presse.medizin@med.uni-goettingen.de
www.umg.eu

Folgen Sie uns