„Mit wenig Aufwand Leben retten“
Wie nahe Freud‘ und Leid beieinanderliegen können, musste Nadja Mann aus Northeim vor zwei Jahren erleben: Nur zwölf Stunden nachdem ihr zweites Kind das Licht der Welt erblickt hatte, erhielt die 37-Jährige die Diagnose Leukämie. Ein Schock für die junge Frau und ihre Familie, denn der Blutkrebs entwickelte sich unbemerkt über Monate; auch die Schwangerschaft verlief komplikationslos.
Laut der Deutschen Krebsgesellschaft erkranken pro Jahr rund 13.700 Menschen in Deutschland an Leukämie. „Bei Leukämien werden „unreife“, also nicht funktionstüchtige, weiße Blutkörperchen gebildet, die sich unkontrolliert vermehren. Dadurch kann das Blut seine lebenswichtigen Aufgaben, wie zum Beispiel den Sauerstofftransport oder die Infektionsabwehr, nicht mehr erfüllen. Der Heilungsprozess wird durch vorrübergehende Nebenwirkungen begleitet. Viele dieser Betroffenen können nur durch eine Blutstammzelltransplantation geheilt werden“, so Dr. Justin Hasenkamp, Oberarzt in der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Für ungefähr zehn Prozent der Patient*innen wird keine passende Person für eine Stammzellspende gefunden.
Nadja Mann hatte Glück. Sie findet einen „genetischen Zwilling“, der ihr helfen kann. Denn ähnlich wie bei Blutgruppen müssen gewisse Merkmale zwischen der spendenden und empfangenden Person übereinstimmen. Behandelt wird die zweifache Mutter in der UMG. Es ist eine kräftezehrende Therapie, bei der sie auf die Unterstützung von Blut- und Stammzellspender*innen angewiesen ist. Fast 60 Spender*innen haben an ihrem Genesungsprozess maßgeblich mitgewirkt – so viele Menschen wie in einen Reisebus passen. „Ich bin unendlich dankbar, dass es Menschen gibt, die immer wieder den Weg auf sich nehmen, um Blut zu spenden oder sich tagelang darauf vorbereiten, Stammzellen abzugeben“, sagt Nadja Mann. „Wir alle können leider in die Situation kommen, dringend Blut oder Stammzellen zu benötigen. Mit relativ wenig Aufwand kann jede und jeder zum Spender werden.“
Viele Blutspenden sind für Krebspatient*innen
Bevor eine Stammzelltransplantation starten kann, wird das eigene blutbildende System im Knochenmark zunächst zerstört. Nur so kann die weitere Bildung „kranker“ Blutzellen verhindert und das Fortschreiten des Blutkrebses aufgehalten werden. Über viele Monate hinweg ist die*der Patient*in danach abhängig von Blutspenden.
Auch Nadja Mann bekam Blut transfundiert, da sie selbst keines mehr bilden konnte. Insgesamt 33 Blutbeutel mit hochkonzentrierten roten Blutkörperchen, die den Sauerstofftransport im Blut übernehmen, und 29 Thrombozytenkonzentrate, Präparate bestehend aus blutgerinnungsfördernden Blutplättchen, hat sie in dieser Zeit benötigt. Erst danach wurden Nadja Mann die Stammzellen der*des Spender*in transplantiert. Ihr Körper hat danach mit der Produktion gesunder Blutzellen begonnen.
Damit hat Nadja Mann buchstäblich am eigenen Leib erfahren, wie wichtig es ist, dass es Blut- und Stammzellenspender*innen gibt. Schon vor ihrer Erkrankung war ihr das durchaus bewusst: Vor fast zehn Jahren hatte sie sich bereits selbst als potenzielle Stammzellspenderin in der UMG-eigenen Spenderdatei KMSG (Knochenmark- und Stammzellspenderdatei Göttingen) registrieren lassen und war als Blutspenderin beim Blutspendedienst der UMG aktiv. „Wenn ich damals Blut gespendet habe, dann habe ich immer an Auto- oder Motorradunfälle gedacht. Dass so viele Blutspenden aber gerade für Krebspatientinnen und Krebspatienten gebraucht werden, war mir gar nicht bewusst“, erinnert sie sich zurück.
Mehr Blut- und Stammzellspenden notwendig
„Nadja Mann ist eine von vielen Patientinnen und Patienten in unserer Region, die regelmäßig auf Blutspenden angewiesen sind“, sagt Prof. Dr. Tobias Legler, kommissarischer Leiter der Zentralabteilung Transfusionsmedizin der UMG. „Im Verlauf der vergangenen Jahre ist die Zahl der Blutspenden deutschlandweit konstant gesunken.“ Die Blutbank des Klinikums weist daher immer häufiger einen kritisch niedrigen Bestand auf, weshalb die UMG dringend auf Menschen angewiesen ist, die regelmäßig Blut spenden.
Auch wenn Nadja Mann sich gern bei jeder einzelnen Spenderin und jedem einzelnen Spender bedanken möchte: Für die Blutspende ist das nicht möglich. Hingegen kann sie ihrer Stammzellperson anonym einen Brief zukommen lassen und die Fragen stellen, die sie umtreiben: Wer ist diese Person? Was hat sie dazu bewegt, einem fremden Menschen die rettenden Stammzellen zu schenken? Hat dieser Mensch auch eine Familie und ist vielleicht froh, dass Nadja Mann dank der Spende ihre Kinder großziehen kann? Sollte die Spendeperson einverstanden sein, möchte sie diese unbedingt kennenlernen. Nur, wenn beide Parteien zustimmen, kann die Anonymität nach zwei Jahren aufgehoben werden.
Die tiefe Dankbarkeit, die Nadja Mann empfindet, sei aber nur eines von vielen Gefühlen, mit denen sie sich seit ihrer Erkrankung konfrontiert sieht. Sie beschreibt ihre Gefühlswelt als ein stetiges „Schwanken zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit“. Und auch ihr Blick auf das Leben habe sich verändert: „Ich bin dem Tod von der Schippe gesprungen. Jetzt möchte ich in erster Linie für meine Familie da sein und Erinnerungen schaffen. Das Leben kann jeden Tag vorbei sein. Erinnerungen haben mich in den schweren Zeiten immer weitergetragen und mir Hoffnung geschenkt, die ich so dringend gebraucht habe.“
Stammzellspender*in werden – Typisierung in der Stammzellspenderdatei
Typisieren können sich Freiwillige zum Beispiel, indem sie ein kostenfreies Registrierungsset bestellen (über https://kmsg.umg.eu). Mit einem Wattestäbchen wird ein Abstrich von der Wangenschleimhaut abgenommen, der dann in einem Labor analysiert wird. Alternativ ist eine Registrierung auch bei dem Blutspendedienst der UMG „Blut für’s Klinikum“ möglich.
Bei einer Typisierung werden Gewebemerkmale – die sogenannten HLA-Merkmale – analysiert. Mehrere tausend Varianten dieser Merkmale existieren in unzähligen Kombinationen. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Menschen die gleichen Gewebemerkmale haben, ist sehr gering. Diese müssen aber übereinstimmen, damit eine Stammzellspende erfolgen kann.
Sollte ein*e passende*r Spender*in bei der KMSG gefunden werden, wird die Person von einem interdisziplinären ärztlichen Team der UMG hinsichtlich der Spendefähigkeit untersucht. Auch die Stammzellspende selbst findet bei Eignung in der UMG statt.
Blutspender*in werden
An zwei Standorten kann beim Blutspendedienst des Universitätsklinikums Göttingen Blut gespendet werden. Dafür ist kein Termin erforderlich. Für die Blutspende ist ein gültiger Personalausweis unbedingt notwendig. Mehr Informationen zur Vorbereitung auf die Blutspende sind unter blutspende.umg.eu zu finden.
Blutspende im Klinikum
Robert-Koch-Straße 40
Montag, 08:00 – 11:00 Uhr
Dienstag, 16:00 – 20:00 Uhr
Mittwoch, 14:00 – 18:00 Uhr
Donnerstag, 10:00 – 14:00 Uhr
Freitag, 08:00 – 11:00 Uhr
Blutspende am Campus
Weender Landstraße 1
Montag, 09:00 – 13:00 Uhr
Dienstag, 14:00 – 18:00 Uhr
Mittwoch, 13:00 – 17:00 Uhr
Donnerstag, 10:00 – 14:00 Uhr
Freitag, 08:00 – 12:00 Uhr
KONTAKT
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Zentralabteilung Transfusionsmedizin
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Telefon 0551 / 39-65685
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